Perspektiven der politischen Erwachsenenbildung auf eine neue Verwerfung
Die Eurobarometer-Umfrage 2021 attestierte der österreichischen Bevölkerung auffallendes Desinteresse an Wissenschaft und Forschung. Den positiven Einfluss der Wissenschaft auf die Gesellschaft schätzt sie als sehr gering ein, und rund ein Drittel der hierzulande Befragten glaubt außerdem, Forscher*innen seien nicht ehrlich. Die relativ große Anzahl der Impfgegner*innen in Österreich verstärkt ebenfalls die Vermutung, wir würden in der Hochburg der Wissenschaftsskepsis leben.
Die weltweiten Demonstrationen und andere Protestaktionen gegen staatlich verordnete Maßnahmen während der Corona-Pandemie relativieren jedoch diesen Befund; wir haben es wohl mit einem globalen Phänomen zu tun: Spaltung der Gesellschaft entlang der Frage nach dem „richtigen“ Wissen und dem Umgang der Politik damit.
Zwar wurde diese neue Verwerfung im Zuge der Pandemie manifest, aber öffentlich geführte politische Debatten, die wissenschaftliche Evidenz und Expertise auf den Plan rufen, sorgen schon seit Langem für Polarisierung. Dazu zählt jedenfalls die Frage, inwieweit der sogenannte Klimawandel menschengemacht ist. Sogar in der Diskussion über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine werden derzeit Argumente herangezogen, die oft mit Expert*innenwissen unterfüttert werden – etwa zur Frage nach Reichweite und Effizienz von Waffen.
Wir haben es mit einer Kraftlinie zu tun, die das politische Spektrum ebenso durchkreuzt wie soziale Schichten und Milieus. Auf der einen Seite befinden sich die „Wissenschaftstreuen“, die in „Corona-“ und „Klimawandel-Leugner*innen“ oder „Putin-Versteher*innen“ nur Dummheit erblicken – und selbst für einen Glauben an die Wissenschaft eintreten. Die andere Seite wiederum führt ebenso Argumente für ihre Verweigerung staatlich angeordneter Maßnahmen an, welche allerdings eher durch Verschwörungstheorien oder umstrittene „Expert*innen“ untermauert werden. Dabei pochen sie auf ihre Meinungsfreiheit, Verordnungen kritisieren zu dürfen. Wir haben es also mit einer paradox anmutenden Polarisierung zu tun, die – etwas überzeichnet formuliert – lautet: evidenzbasierter Glaube gegen postfaktische Herrschaftskritik.
Die Lage ist dermaßen überspannt, dass der liberal-demokratische Rahmen für öffentliche Debatten zu reißen droht. Als Lösung dieses Problems werden oft eine bessere Wissenschaftskommunikation und breite Vermittlung von Medienkompetenz verschrieben. Deuten diese Lösungsansätze aber darauf hin, dass das Problem tatsächlich auch in seiner ganzen Komplexität erkannt wurde? Und: Welche Antworten hat politische Erwachsenenbildung kurz- und mittelfristig auf diese neue Verwerfung?
Die ÖGPB setzt ihre seit 2010 stattfindende jährliche Vortragsreihe zur politischen Erwachsenenbildung auch 2023 fort. Neben dem langjährigen Kooperationspartner Depot ist heuer das Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) Mitveranstalter. In den beiden Häusern finden im Herbst 2023 vier Vorträge zu den oben geschilderten Fragen statt.
Konzeption und Organisation
Eine Vortragsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB) in Kooperation mit dem Depot und dem Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK)
Veranstaltungen
Datum/Zeit | Veranstaltung |
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Di 10/10/2023 19:00–21:00 | Melanie Pichler: Die Klimakrise bearbeiten, aber wie? Depot, Wien |
Do 09/11/2023 19:00–21:00 | Mona Singer: Wissenschaftsbarometer und Klimawandel Depot, Wien |
Do 23/11/2023 19:00–21:00 | Christine Tragler: Wie Wissenschaft vermitteln? IWK, Wien |
Di 05/12/2023 19:00–21:00 | Alexander Bogner: Wie viel Wissen braucht die Demokratie? Depot, Wien |