Öffentliche Veranstaltung – Keine Anmeldung notwendig
Ästhetische Bildung wird heute zumeist als Erweiterung des perzeptiven, emotionalen und kognitiven Erfahrungsspektrums verstanden. In einem ästhetischen Sinne gebildet zu werden, bedeutet demnach, mehr, bewusster und anders wahrzunehmen, zu fühlen und zu denken, als das in alltäglichen, normalisierten Weisen des Erfahrens der Fall ist. Im Kontext rezenter Theoriebildung sind es insbesondere ästhetische Erfahrungen, denen zugetraut wird, unsere eingespielten Erfahrungsmuster zu hinterfragen. Auf diese Weise können sie Bildungsprozesse auslösen. Was ästhetischen Situationen gemeinsam ist, wäre demnach, dass sie eine bestimmte Weise des Erfahrens initiieren. Worin genau aber, phänomenologisch gesprochen, die ästhetische Qualität im Erfahren besteht und wie sie sich von anderen Erfahrungsweisen unterscheidet, bleibt häufig unklar. Zumeist beschränken sich die Beschreibungen auf lapidare Charakterisierungen: Die Rede ist dann von dem bewussten Erfahren von etwas als etwas, das sich durch eine entnormalisierte Wahrnehmung und eine gesteigerte Aufmerksamkeit auszeichnet, oder von dem genießenden Erfahren eines als schön empfundenen Objekts, das nicht primär nutzenorientiert ist und dadurch eine besondere Freiheit verheißt.
Im Rahmen der Tagung wird die Frage diskutiert, inwieweit ästhetische Erfahrungsweisen – samt ihrer Praktiken, den Institutionen, in denen diese initiiert werden, und der Zeit, in der sie sich vollziehen – einander ähnlich sind, ob sie Gemeinsamkeiten aufweisen und wenn ja, wie diese, präziser als in den bestehenden Debatten, formuliert werden können. Die Beiträge kreisen mithin um die Heterogenität ästhetischer Erfahrungsweisen sowie der an diese gebundenen Praktiken und widmen sich dem Ziel, besser zu verstehen, welche Chancen und welche Probleme spezifisch mit diesen verbundenen Bildungsprozessen sich eröffnen können. Braucht man für einen Gang ins Theater nicht nur in den meisten Fällen ein bestimmtes kulturelles und auch ökonomisches Kapital, sondern auch den Willen, sich an einem bestimmten Ort und zu einer festgeschriebenen Zeit dem Geschehen auf der Bühne leiblich auszusetzen, scheint das Schauen einer Fernsehserie eine zunächst viel niedrigschwelligere und voraussetzungslosere Praxis zu sein, die von den Zuseher_innen allerdings ein beträchtliches zeitliches Investment verlangt. Müssten diese Umstände nicht phänomenologisch wie auch analytisch mit Hinblick auf gesellschaftliche, politische, kulturelle u.ä. Faktoren ins Zentrum der Analyse gerückt werden, um eine treffende Beschreibung der ästhetischen Bildungsprozesse zu ermöglichen? Benötigt eine angemessene Theorie der ästhetischen Bildung nicht ein ausdrückliches Bewusstsein von der Heterogenität und Differenz ästhetischer Praktiken? Und wäre es dann nicht ratsam, den Singular in der Rede von ästhetischer Bildung hinter sich zu lassen?
Do 06.04.2017
14:00-15:15
Iris Laner/Markus Rieger-Ladich
»It’s about us.« (Selbst-)Beobachtungen zu The Walking Dead und Orange is the New Black
15:45-17:00
Eva Kernbauer
Bildende Kunst. Künstlerische Praxis als Wissensvermittlung
17:30-18:45
Alfred Schäfer
Dissonanz – Atonalität – Präsenz. Annäherungen an ästhetische Erfahrungsräume im frei improvisierten Jazz
Fr 07.04.2017
10:00-11:15
Ines Kleesattel
Andere Mitwisser*innen. Polylogische Wissenspraktiken in und mit recherchebasierter Kunst
11:45-13:00
Andreas Dörpinghaus
Die Erziehung des Blicks. Sehen als Dispositiv
14:15-15:30
Natalie Moser
»Poesie ist nicht etwas, was gut tut.« Zu Herta Müllers transmedialer Reflexion über ästhetische Bildungsprozesse
16:00-17:15
Hans-Christoph Koller
Lesen als Fremdheitserfahrung. Bildungstheoretische Überlegungen am Beispiel von Clemens J. Setz’ Roman »Indigo«
17:45-19:00
Ruth Sonderegger
Zwischen Herrschaftsinstrument und Freiheitsversprechen. Zur Geschichte der ästhetischen Erfahrung
Sa 08.04.2017
10:00-11:15
Simon Baier
Ohne Grund. Lissitzkys Pressa-Pavillon, 1928
11:45-13:00
Markus Brunner
Lesen und schauen. Ästhetische Erfahrung im Comic
13.00-14.00
Abschlussdiskussion
Vortragende
Simon Baier: Kunsthistoriker, Wien
Markus Brunner: Psychologe, Wien
Andreas Dörpinghaus: Erziehungswissenschaftler, Würzburg
Eva Kernbauer: Kunsthistorikerin, Wien
Ines Kleesattel: Philosophin, Zürich
Iris Laner: Philosophin, Tübingen/Wien
Hans-Christoph Koller: Erziehungswissenschaftler, Hamburg
Natalie Moser: Literaturwissenschaftlerin, Potsdam
Markus Rieger-Ladich: Erziehungswissenschaftler, Tübingen
Konzept und Organisation
Iris Laner, Markus Rieger-Ladich