In den Heimen, in die von der Wiener Jugendfürsorge “Zöglinge” eingewiesen wurden, gab es Gewalt, und zwar sowohl Gewaltexzesse als auch andauernde psychische und physische Gewalt. Erst spät ist es zu einer Abgrenzung von jenen Traditionen des Umgangs mit “Asozialen” gekommen, die sich – über das Jahr 1945 hinaus – jahrzehntelang und bis in die Gegenwart fortsetzen konnten.
Bei der Tagung soll der Frage nachgegangen werden, welche Techniken der Stigmatisierung, Verfolgung, Bestrafung, Absonderung und Internierung angewendet wurden und mit welchen gesellschaftlichen Diskursen diese Praktiken verknüpft sind.
Programm
Freitag, 6.12.2013
- 9.45 Uhr: Begrüßung
- 10.00–11.00 Uhr: Anna Bergmann (Innsbruck): Historische Wurzeln der Gewaltstrukturen in Kinderheimen bis in die 1970er-Jahre
- 11.00–12.00 Uhr: Gertrude Czipke (Wien): Zeitgeist oder Verbrechen?
- 12.00–13.00 Uhr: Peter Becker (Wien): Prostitution und Gesellschaftsschutz – auf dem Weg zur Entrechtung von Frauen
- 13.00–14.00 Uhr: Ernst Berger (Wien): Gewalt in Heimen und die Folgen
- 15.00–16.00 Uhr: Marion Wisinger (Wien): Institutionalisierte sexuelle Gewalt an Heimkindern am Beispiel des Mädchenheims Schloss Wilhelminenberg
- 16.00–17.00 Uhr: Ingrid Bauer (Salzburg): Abgestempelt und ausgeliefert. Befunde zur Verantwortungskette im und hinter dem System der österreichischen Fürsorge- und Heimerziehung nach 1945 – am Fallbeispiel Salzburg
- 17.00–18.00 Uhr: Reinhard Sieder (Wien): Der Kindheit beraubt. Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien
- 18.00–19.00 Uhr: Hemma Mayrhofer (Wien): Kontrollversagen hinter Normalitätsfassaden: Zur Beschaffenheit institutioneller Gelegenheitsstrukturen für Missstände in Heimen am Beispiel der Wiener Jugendwohlfahrt in den 1970er-Jahren
- 19.00–20.00 Uhr: Georg Hönigsberger/Irmtraut Karlsson (Wien): Heimskandale – wer wissen wollte, konnte alles wissen
Vortragende
Ingrid Bauer: Zeit- und Kulturhistorikerin an der Universität Salzburg; mit R. Hoffmann Leitung des Forschungsprojekts über “Jugendwohlfahrt, Fürsorgeerziehung und Fremdunterbringung in Salzburg nach 1945”.
Peter Becker: lehrt an der Universität Wien österreichische Geschichte mit Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert.
Ernst Berger: Kinder- und Jugendpsychiater, Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft (Menschenrechte).
Anna Bergmann: Professorin für Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder und Senior Lecturer an der Universität Innsbruck. Gertrude Czipke: Studium der Zeitgeschichte, Psychotherapieausbildung, langjährige Mitarbeiterin an Projekten des Unterrichtsministeriums.
Georg Hönigsberger: Journalist bei der Zeitung “Kurier”
Irmtraut Karlsson: Psychologin, ehem. Leiterin der Sozialpädagogischen Grundlagenforschung in der MA 11, zwischen 1980 und 1986 Generalsekretärin der sozialistischen Fraueninternationale in London, langjährige Bundesrätin und Abgeordnete zum Nationalrat (SPÖ).
Hemma Mayrhofer: Soziologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Lektorin am Institut für Soziologie der Universität Wien.
Reinhard Sieder: Professor am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Wien, Publikation: (gem. mit Andrea Smioski) “Der Kindheit beraubt. Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien” (2012).
Marion Wisinger: Historikerin, Politologin; wissenschaftliche Koordinatorin der Kommission Wilhelminenberg am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Wien.