Helene Belndorfer: Inneres Exil von Frauen während des Nationalsozialismus in (dem vor-/nachmaligen) Österreich

Datum/Zeit
​Di 05/05/2015
18:30–20:30

Ort
IWK

Typ
Vortrag

Das innere Exil manifestiert sich nicht wie das äußere in Statistiken der Vertreibung, Flucht und Aufnahme. Es bleibt als einsames nonkonformes bis widerständiges Verhalten im Inneren eines totalitären Systems unentdeckt, wenn es nicht durch Denunziation, Verfolgungsbehörden oder Zufall aktenkundig bzw. durch erhaltene Tagebuchaufzeichnungen oder mündliche bzw. schriftliche Erzählungen nach Ende des Nationalsozialismus sichtbar wird. Anhand konkreter Beispiele von Protagonistinnen wird in dem Referat mithilfe von Oral-History-Aufnahmen, schriftlichen Zeugnissen und Akten versucht, Vor­aussetzungen, Formen und Kommunikationsmuster dieses inneren Exils zu skizzieren. Dabei tut sich ein breites Spektrum auf. Es reicht von der wagemutigen Wiener Jüdin, die 1943 von der Gestapo wegen verbotswidrigen Besitzes eines Rundfunkgeräts und Verdachts des Abhörens ausländischer Sender festgenommen wurde, über eine systemresistente katholische Bauerntochter, die versuchte, Häftlingen des benachbarten KZ-Außenlagers zu helfen, bis zur sozialistischen Bürokraft, die mit dem Summen eines internationalen Arbeiterliedes im Büro den Kreis des inneren Exils überschritt und denunziert wurde. Als ein wichtiges Indiz für inneres Exilantentum, das aber durch zusätzliche systemkritische Verhaltensweisen zu belegen ist, wird das ab September 1939 zum »Rundfunkverbrechen« erklärte Hören ausländischer Radiosender herangezogen. Es wurde für die Hörerinnen zum wesentlichen Ventil in der Isolation und bildete häufig eine – den meisten nicht bewusste – Verbindungslinie zum “äußeren” Exil von Österreicher_innen, die in London und anderwärts vor den Mikrophonen saßen.

Helene Belndorfer: Historikerin, Wirtschaftswissenschaftlerin und (Radio-)Journalistin; 2015 Verleihung des Radiopreises der Erwachsenenbildung (gemeinsam mit Alfred Koch).