Anmeldung: dekolonial2021@univie.ac.at
Die Konferenz De-/Kolonisierung des Wissens ist eine Kooperation zwischen der Universität Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien, der Kunst-Universität Linz, dem IWK, dem IFK sowie der WiGiP und findet vom 19.-21. November 2021 in Wien statt. Mit der geplanten Konferenz wollen wir ein Forum schaffen, um verschiedene dekoloniale Initiativen innerhalb und außerhalb von Hochschulen miteinander ins Gespräch zu bringen. Im Rahmen der Konferenz sollen epistemische Mechanismen der (Neo-)Kolonialisierung sowie Möglichkeiten eines dekolonialisierten Wissens in verschiedensten akademischen, künstlerischen und aktivistischen Beiträgen diskutiert und reflektiert werden. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung besteht die Absicht darin, sich besser zu vernetzten, gemeinsam an dekolonialen Wissenspraktiken zu arbeiten und für mehr Diversität im Personal und in den Curricula verschiedener Bildungsinstitutionen zu sorgen.
Noch immer ist die Ansicht weit verbreitet, wonach der Kolonialismus – als eine systematische Besetzung, Unterdrückung und Ausbeutung von territorialen Gebieten, Ressourcen und Körpern der ›Anderen‹ – ein Ereignis der Vergangenheit ist. Dem steht die Auffassung gegenüber, dass der Kolonialismus auf unterschiedliche Weise eine sich perfide fortschreibende und daher fortgesetzt gegenwärtige Gegebenheit darstellt. Stärker noch: Wir sind heute mit neuen, subtileren Formen kolonialer Gewalt konfrontiert. Vor diesem Hintergrund kann sich die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus nicht auf eine historische Aufarbeitung beschränken, welche gleichwohl unabdingbar ist. Vielmehr müssen die Denk- und Handlungsmechanismen der Gegenwart analysiert und Wege der Intervention gefunden werden. Es gilt, in unterschiedlichen Bereichen unserer Wissens- und Lebenswelten sowohl (Gegen-)Strategien von Analyse und Kritik als auch Möglichkeiten solidarischer Vernetzung zu finden, um theoretisch wie auch praktisch, global und auch lokal neo-/koloniale Herrschaftsverhältnisse aufzuzeigen, zu dekonstruieren und Dynamiken ihrer Transformation einzuleiten.
In diesem Sinne wollen wir im Rahmen unserer Konferenz auf mannigfaltigen Wegen thematisieren, durch welche Wissens-Mechanismen Kolonisierungen zu Stande kamen, kommen und sich weiterhin aufrechterhalten. Analysiert werden sollen u.a. die Verfahrensweisen einer kolonialen Logik, die sich bis heute als eine unanfechtbar-souveräne Vernunftkultur präsentiert und ihre epistemische Machtstellung gerade dadurch zu sichern sucht, dass sie ein abgewertetes ›Anderes‹ dem Eigenen gegenüberstellt. Auf diese Weise werden ›andere‹ Wissenskulturen und Wissenspraktiken entweder als Irrationalitäten stigmatisiert, gewaltsam unterdrückt und als nicht legitime oder als gänzlich ›fremde‹ ausgeschlossen; oder sie werden zum begehrten Kitsch, zur Exotik und Esoterik entstellt. In anderen Fällen wird das Wissen der ›Anderen‹ zwar angeeignet, jedoch um den Preis, dass seine Herkunft entnannt, verheimlicht und selbst noch die zu ihm führende Spur verschleiert wird. Derartige Mechanismen zielen deswegen nicht nur auf die Verfestigung der eigenen kolonialen Vormachtstellung ab, sondern bezwecken gleichermaßen die aktive Verhinderung einer befreienden Transformation, die durch aktive Teilnahme und gleichberechtigte Teilhabe entstehen könnten. Gerade deswegen möchten wir fragen, welche ›anderen‹ Kenntnisse jene missbräuchliche, alles verzehrende Gewalt des Kolonialismus überleben konnten; wie sie sich – lokal und global – gegen kolonial motivierte Wissensregime durchsetzen konnten und darin Möglichkeiten emanzipatorischer Umgestaltung aufzeigen.
Der Titel »De-/Kolonisierung des Wissens« bezieht sich dementsprechend nicht nur auf die Frage, wie sich koloniales, sondern auch antikoloniales, emanzipatorisches Wissen generiert und wie derartige Wissensprozesse unweigerlich auf das Erleben der Realität einwirken oder diese gar konstituieren. Solche Prozesse können sich in unterschiedlichen epistemischen Praktiken vollziehen. Neben institutionalisierten Formen des Wissens wie insbesondere der akademischen Wissensproduktion meinen wir damit etwa auch Wissensformen, die in alltäglichen Situationen, im Habitus der Körper, in diversen Künsten, in sozialen und spirituellen Ritualen, unter Verwendung von Gegenständen, technischen Instrumenten und digitalen Medien oder auch im politischen Aktivismus stattfinden. Wir denken auch an subtile Wissenspraktiken, die auf ersten Blick schwer zu fassen sind, sich der Sprache und anderen Formen der Artikulation entziehen, weil sie sich nicht-propositional, sondern (teilweise) ungewusst oder unbewusst ereignen.
All diese Wissensformen, die man erweitern bzw. weiter differenzieren oder auch miteinander vermengen kann, stehen jedoch nicht isoliert da, sondern in vielerlei Bezügen. Sie beziehen sich auf diverse Problematiken und Konflikte ebenso wie auf Bedürfnisse, Begierden und Hoffnungen.
So sehen wir unseren Call zu einer »De-/Kolonisierung des Wissens« als den weit gefassten Aufruf, unterschiedliche Beiträge dekolonialer Forschung und Praktiken – diesseits von disziplinierenden Wissensbereichen und -hierarchien – zusammen und in einen fruchtbaren Austausch zu bringen. Neben dem klassischen Format des Vortrags begrüßen und unterstützen wir in diesem Sinne auch andere Formate der Präsentation: von Performance-Lectures bis hin zu Filmen, Gedichten, Bildern oder Installationen. Auch Workshops, partizipative Aktivitäten und nicht-frontale Präsentationen sind willkommen.
Ein Anliegen dieser Tagung ist die Vernetzung von Diskussionen zur “Dekolonialisierung des Wissens” im deutschsprachigen Kontext. Die Hauptsprache der Konferenz wird daher Deutsch sein, wobei wir uns bei Bedarf bemühen werden, auch Raum für andere Sprachen zu schaffen.